9.12.2010 – Die Proteste des Mieterschutzverbandes und vieler anderer Organisationen (auch des OGH) haben nun doch zu einem Einlenken des Justizministeriums geführt.
Die beabsichtigte Abschaffung des Amtstages wird zurūckgenommen.
Damit wird es unvertretenen Parteien in Zukunft weiterhin möglich sein, Einwendungen gegen Kündigungen direkt bei Gericht zu Protokoll zu geben, oder eine Besitzstörungsklage und ähnliches unter Anleitung des Gerichts zu verfassen.
Zwei Schritte vor und eineinhalb zurück:
In Zukunft wird es allerdings nicht mehr möglich sein, eine Berufung (gegen ein bereits gefälltes Gerichtsurteil) zu Protokoll zu geben.
Berufungsverfahren sind rechtsanwaltspflichtig. Die bisherige Möglichkeit eine Berufung unvertreten zu Protokoll zu bringen, stellte eine Ausnahme von der Rechtsanwaltspflicht im Berufungsverfahren dar. Diese Ausnahme ist nun gefallen.
Der Trend zu einer scheibchenweise Entrechtung bildungsferner oder ärmerer Bevölkerungsschichten scheint daher – wenn auch verlangsamt – fortzuschreiten.
In diesem Zusammenhang ist nicht zu vergessen, dass der Amtstag bis vor wenigen Jahren bei den Bezirksgerichten zweimal pro Woche (Dienstag und Freitag) stattfand und derzeit in Wien nur mehr Dienstag (von 8 Uhr bis 13 Uhr) abgehalten wird. Auch dies ist ein weiteres Symptom der zunehmenden Entfremdung zwischen Gerichtsbarkeit und Bevölkerung.
Wenn eine Richterin/ein Richter mit der Bevölkerung nur mehr im Verhandlungssaal kommuniziert, ist die Gefahr groß, die Nöte und die soziale Wirklichkeit eines Großteils der Bevölkerung nicht mehr nachvollziehen zu können.
Dies ist insofern schade, weil der Amtstag bei manchen Wiener Bezirksgerichten – insbesondere jenen in den „ärmeren“ Bezirken (Fünfhaus, Favoriten, Hernals) geradezu ein Musterbeispiel für eine gelungene Schnittstelle zwischen verantwortungsbewussten RichterInnen, und rechtsschutzsuchender Bevölkerung darstellte.
Im Zusammenhang mit der (als skandalös zu bewertenden) Kürzung der Rechtspraktikumsdauer, wird dieses Ausmaß an Rechtsunterstützung nur schwer aufrecht zu erhalten sein.