Unsinnige Wärmedämmung? Der Buntspecht liebt sie.

Die Krux mit der Wärmedämmung

Soviel ist bekannt: Schlecht gedämmte alte Wohnhäuser verbrauchen mehr Energie als moderne Neubauten. In Zeiten zu hohen Kohlendioxidausstoßes, verwundert es daher nicht, dass die thermische Sanierung in Österreich boomt. Eine im Winter warme Wohnung verbunden mit einem Beitrag zum Umweltschutz und Heizkostenersparnis, wer will das nicht?
Diesem Trend folgend versuchen Bund und Länder, mit erheblichen Subventionen die energetische Sanierung von Häusern zu fördern. Bis vor Kurzem zweifelten nur wenige an der Sinnhaftigkeit thermischer Sanierungen. Doch in der Zwischenzeit, um einige negative Erfahrungen und Lernprozesse reicher geworden, werden die kritischen Stimmen immer lauter. Immer häufiger hört man von geradezu in den Schwitzkasten genommenen Häusern, die nach der Sanierung zu schimmeln begonnen haben. Seit einiger Zeit kommen Studien dazu, die darauf hindeuten, dass energetische Sanierungen wesentlich mehr Geld kosten könnten, als jemals durch sie an Heizkosten eingespart werden kann.
Tatsächlich ist die Renovierung von Häusern mit Wärmedämmfassaden aufwändig und technisch heikel. Es genügt nicht, nur die Hauswand mit Dämmplatten zuzuklatschen und darauf zu warten, dass sich in 10 Jahren die Angelegenheit durch verringerte Heizkosten amortisiert hat. Wenn die Sanierung nicht gründlich durchgeführt und durchdacht ist, wohnt man danach in einem Haus, das einen mit Schimmelflecken und erhöhter Brandgefahr belohnt.

Neuer Lebensraum für Algen?

Seit einiger Zeit ist bekannt, dass Wärmedämmsysteme zu Algenbildung neigen. Doch woher kommt die Feuchtigkeit, die angestammte Flussbewohner dazu verleitet, sich an Hauswänden anzusiedeln? Nach Ansicht des renommierten deutschen Fraunhofer-Instituts ist die Feuchtigkeit gar nicht vermeidbar. Eine starke nachträgliche Außendämmung führe zwangsläufig zu kälteren Wandaußenflächen, auf denen Wasser kondensiert. Diese Fassaden können keine Sonnenwärme speichern und werden nicht mehr durch die Innenraumluft erwärmt. Kühlt die Außenfläche nachts stark ab, bildet sich an der dünnen Putzschicht Wasser – samt Algen und Schimmel.
Neuerdings ist die Bauindustrie dazu übergangen Farben und Putze, mit Fungiziden und Bioziden zu versehen. Doch mit der Zeit werden diese Beschichtungen ausgewaschen und landen im Grundwasser. Eine Schweizer Studie nimmt an, dass Auswaschungen aus Fassadenbeschichtungen zu den Hauptursachen für die Belastung von Gewässern mit organischen Schadstoffen zählt. Sehr umweltfreundlich wirkt das alles nicht. Falls man Bewohner eines Hauses mit Garten und selbst gezogenem Gemüse ist, kann man die schädlichen Auswirkungen dann quasi mit der Gemüsesuppe gleich selbst auslöffeln.

Die Styroporfalle

Einer der derzeit meistverbauten Dämmstoffe ist Polystyrol, ein Ausgangsstoff des Styropor. Da Styropor aus Erdöl hergestellt wird, weisen diese Fassaden eine höhere Brandgefahr auf. Auch darauf hat man – natürlich wieder mit chemischen Mitteln – reagiert. Flammschutzmittel (von denen die früher eingesetzten ziemlich schädlich sind), sollen das erhöhte Brandrisiko eindämmen. Auch hier bleibt die Frage offen, was passiert, wenn die Fassade schadhaft wird und das Flammschutzmittel nicht mehr durchgängig schützt?

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Zumindest Spechte lieben Styropor. Eine vom Buntspecht beschädigte Fassade in Köln

Zur Haltbarkeit von Dämmfassaden bestehen viele Unklarheiten. Kondenswasser kann mit der Zeit in winzige Löcher der Fassade eindringen. Wenn dieses gefriert, sprengt dies den Putz und die darunterliegende Dämmung. Zudem dürfte der Specht in Stadtrandgebieten an solchen Wänden besonders gern anklopfen und zu deren Beschädigung beitragen. Auch ein an die Wand knallender Fußball, der früher einer Fassade nichts anhaben konnte, kann diese ziemlich beschädigen. Bei sorgfältig angebrachten Dämmungen hofft man auf eine Lebensdauer von 30 bis 60 Jahren. Dies gilt aber nur unter der Voraussetzung, dass der wasserabweisende Anstrich alle 10 Jahre erneuert wird. Wer macht das schon, und wer will das bezahlen?

Die Frage der Wirtschaftlichkeit

Allgemein vertritt man die Auffassung, dass Häuser, die ab den 1970er Jahren errichtet wurden, vergleichsweise einfach mit Wärmeschutzfassaden nachgerüstet werden können. Bei Altbauten sieht die Sache anders aus. Es nützt nichts, nur die Fassade zu dämmen. Eine energetische Sanierung muss sämtliche Gebäudeteile, vom Dach über die Fenster bis zum Keller miteinbeziehen. Vernünftig ausgeführt ist dies eine extrem aufwändige Angelegenheit.
Und die Vorteile?
Sicher können thermische Sanierungen auch sinnvoll sein. Unbestritten ist, dass wir Wege finden müssen, den Co²-Ausstoß zu senken. Der Wohnbereich kann sich diesen Bemühungen nicht entziehen. Die Diskussion soll aber ehrlich geführt werden und schon gar nicht soll die thermische Sanierung ausschließlich der Umsatzsteigerung bestimmter bedenklicher Dämmstoffe und der Ankurbelung der Bauindustrie dienen.

Und wie ist das mit Mieterhöhungen?

Normalerweise sind Vermieter an den vertraglich vereinbarten Mietzins gebunden. Thermische Sanierungen zählen zu Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten, die über den bereits vereinbarten Mietzins abgegolten sind. In Altbauten und geförderten Neubauten können jedoch Mietzinserhöhungen erwirkt werden, wenn die Sinnhaftigkeit und die mangelnde Kostendeckung durch die regulären Mietzinse bewiesen wird. In manchen Gemeinde- und Genossenschaftsbauten, vereinzelt auch in Privatbauten, hat dies auch schon zum Teil zu drastischen Mietzinserhöhungen geführt.
Die Gesetzgebung muss daher diesem Aspekt viel mehr Bedeutung schenken. Sonst haben wir am Ende nur mehr Häuser mit schönen Energiewerten, aber verarmten, vor der Delogierung stehenden MieterInnen.