OGH: Wichtiges Urteil für Genossenschaftsbauten!

30.10.2012 In einem wichtigen Urteil (5Ob68/12d) hat der OGH klargestellt, dass die Mieterschutzbestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) und des Mietrechtsgesetzes (MRG) auch dann gelten können, wenn die Baulichkeit nicht allein von einer gemeinnützigen Bauvereinigung (GBV) errichtet wurde, sondern Teile der Liegenschaft von nicht gemeinnützigen Bauträgern miterrichtet wurden.

Normalerweise sind Eigentumswohnungen, die nach 1945 errichtet wurden, von einem Großteil der Mieterschutzbestimmungen ausgenommen (§ 1 Abs 4 MRG). Unstrittig war bisher, dass die Mieterschutzbestimmungen dann doch zur Anwendung gelangen, wenn die gesamte Baulichkeit von einer GBV errichtet wurde (§ 20 Abs 1 WGG).

Die nun vom OGH zu klärende Frage war, ob für eine nach dem Krieg von einer GBV errichtete Eigentumswohnung die Mieterschutzbestimmungen auch dann gelten, wenn andere Eigentumswohnungen derselben Liegenschaft nicht von dieser gemeinnützigen Bauvereinigung sondern von privaten Bauträgern errichtet wurden.

Diese Frage war seit der Wohnrechtsnovelle 2006 strittig und ließ große rechtliche Unklarheiten, insbesondere im Zusammenhang mit den derzeitigen Stadterweiterungsgebieten in Wien (Aspern, Zentralbahnhof) erwarten.

Ob für ein Mietverhältnis das Mietrechtsgesetz und die zivilrechtlichen Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes anzuwenden sind, ist nicht nur für die zulässige Mietzinsgestaltung und die Erhaltungspflichten des Vermieters von Bedeutung, sondern häufig auch für die Art der Rechtsdurchsetzung durch MieterInnen (Schlichtungsstelle oder streitiges Gericht).

Nach Auffassung des OGH kommt es „entscheidend darauf an, ob eine Baulichkeit durch eine GBV im eigenen Namen und auf eigene Rechnung nach gemeinnützigkeitsrechtlichen Prinzipien errichtet wurde. Ist das der Fall, dann kann auch der Umstand, dass ein weiterer, nicht den Regeln des Gemeinnützigkeitsrechts unterworfener Bauträger an der Errichtung mitgewirkt hat, nicht schaden“.

Die Entscheidung des OGH ist zu begrüßen. Andernfalls wären die Mieterschutzbestimmungen bei vielen Neubauten im Gemeinnützigkeitsbereich ausgehöhlt.

Wer  jetzt der Meinung ist, dass damit alle Unklarheiten über den Anwendungsbereich des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes geklärt sind, irrt allerdings. Noch immer nicht klar ausjudiziert ist die Frage, ob jener Anteil der Eigentumswohnungen, der auf der „gemischten Liegenschaft“ von privaten Bauträgern errichtet wurde, nicht eventuell auch dem Anwendungsbereich des WGG unterliegt (oder nur den Ausnahmebestimmungen des § 1 Abs 2 und 4 MRG, wie es der „herrschenden Auffassung“ einer Hand voll Juristen entspricht).

Versteht das eigentlich noch wer?

Es gibt ein paar „SpezialistInnen“, die glauben es zu verstehen. Doch denen ist nicht zu trauen. Die Klarstellung des OGH wurde unter anderem deswegen erforderlich, weil das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz von vielen RechtsanwenderInnen in wesentlichen Teilen wie ein drogeninduziertes Gebrabbel empfunden wird, das überdies auch nicht frei von logischen Unvereinbarkeiten ist. In diesem Sinn ist an die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs zu erinnern, wonach Gesetze dann gegen das Rechtsstaatsprinzip und die Verfassung verstoßen, wenn diese unverständlich sind.

„Vom Bürger kann nach der Judikatur des VfGH weder ein archivarischer Fleiß noch Lust zum Lösen von Denksportaufgaben verlangt werden.“ (Walter Berka – Lehrbuch Verfassungsrecht: Grundzüge des österreichischen Verfassungsrechts)