Eine Geschichte der Mieterschutzbestimmungen im Überblick:
Diese Darstellung umfasst eine Zusammenfassung von den aus Sicht des Mieterschutzverbandes größten Zäsuren im österreichischen Mietrecht
vor 1917: keine nennenswerten Mieterschutzbestimmungen,
ausschließliche Regelung von Miete und Pacht im ABGB
Das ABGB kannte erst ab der dritten Teilnovelle 1916 zwei zwingende Vorschriften im Bestandrecht (§ 1096 Abs 1 letzter Satz und § 1117 ABGB letzter Satz)
1917, 1918 Mieterschutzverordnungen RGBl Nr 34/1917, RGBl 323/1917, RGBL Nr 21/1918, RGBL Nr 21/1918
Mit der Verordnung des Gesamtministeriums vom 26. Jänner 2017 über den Schutz der Mieter (Reichsgesetzblatt 34/1917) kann der Beginn der Mietengesetzgebung festgemacht werden. Die Notwendigkeit des staatlichen Eingriffs lag in der landflucht- und kriegsbedingten Wohnungsnot, den damit verbundenen Mietpreissteigerungen und dem daraus resultierenden sozialen Problemen, die bereits vor dem 1. Weltkrieg ihren Ausgang genommen hatten.
Entgegen einer weitverbreitenden Ansicht beinhalteten die Mieterschutzverordnungen Verordnungen noch keine Bestimmungen zum „Friedenszins“ oder „Friedenskronenzins“, sondern beinhalten im wesentlichen (großteils befristete) Mieterhöhungsverbote und Kündigungsbeschränkungen.
Zu beachten ist, dass der in der mietrechtlichen Diskussion häufig von ImmobilienvertreterInnen thematisierte „Friedenszins“ nicht mit der Notlage im 1. Weltkrieg in Verbindung stand, sondern erst 1922 als Berechnungsgrundlage (im Sinne einer 150 fachen Erhöhung des Mietniveaus von 1914) eingeführt wurde. Seit 1968 hatte der Friedenszins für Neuvermietzungen keine Bedeutung mehr. Ab 1982 konnten auch alte Verträge im Mietzins angehoben werden.
1922 Inkrafttreten des Mietengesetzes (MG)
Das Mietengesetz 1922 war die erstmalige Kodizifizierung umfangreicher Mieterschutzvorstellungen auf bundesgesetzlicher Ebene in Österreich.
Es sah Mietzinsbeschränkungen im Rahmen einer Vergleichsmiete zu den Gegebenheiten zum 1.8.1914 (Friedenszins) vor und erstmals einen weitreichenden gesetzlichen Kündigungsschutz (§ 22 MG) vor. Weitere Eckpfeiler des Gesetzes waren die Einführung von Weitergabemöglichkeit der Mietwohnung im Angehörigenkreis, Möglichkeit der „Vererbung“ einer Mietwohnung (Eintritt von Todes wegen) und die Zurückdrängung des liberalen Befristungsrechts des ABGB.
Neben dem Mietengesetz kam es auch zu einer staatlichen Regelung der Wohnungsvergabe. Das zweite Wohnungsanforderungsgesetz 1925, das bis Ende 1955 in Geltung stand, erlaubte den Gemeinden, länger als drei Wochen leerstehende für wohnungslose Personen anzufordern und zu vergeben.
1929 Bundesverfassungsnovelle
Die Bundesverfassungsnovelle 1929 hielt fest, dass das Notverordnungsrecht des Bundespräsidenten nicht für Mieterschutzangelegenheiten gilt.
Allein aus dieser Regelung wird klar, welche politische Bedeutung der Mieterschutzgedanke hatte
1938 „Anschluss“gesetzgebung
Angleichung des österreichischen Mietrechts an das im deutschen Reich geltende System staatlicher Preisbildung und Preisüberwachung
1939 „Arisierung“ von Mietverhältnissen
Ein beschämendes Kapitel der Mietgesetzgebung:
Beseitigung des Kündigungsschutzes jüdischer Mieter gegenüber „arischen“ Vermietern. Obwohl die Beseitigung des Kündigungsschutzes keine gesetzliche Verpflichtung des Vermieters zur Kündigung jüdischer Mieter begründete, kam es zwischen März 1938 und Mai 1939 zu rund 44.000 „Arisierungen“ von Mietverhältnissen.
1940 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz
Erste gesetzliche Regelung hinsichtlich genossenschaftlicher Nutzungsverträge. Das während der Anschlusszeit beschlossene deutsche Reichsgesetz wurde nach dem 2. Weltkrieg in österreichisches Recht transformiert.
1946 Novellierung des Mietengesetzes
Ermöglichung eines Neuvermietungszuschlags, mit Ausnahme jener Mieter, die ihre Wohnräume durch Krieg, rassische oder politische Gründe verloren hatten.
1948 Wohnhauswiederaufbaugesetz
Mit „Fondsmitteln“ wieder errichtete (kriegszerstörte) Objekte wurden den Bestimmungen des Mietengesetzes unterworfen, bzw. der Mietzinsberechnung des Wohnhauswiederaufbaugesetzes.
Achtung: in der Folge wurden zum Wohnhauswiederaufbaugesetz drei Novellen (Grundfassung 1948, Novellen: 1950, 1954, 1967) erlassen, die hinsichtlich der Anwendbarkeit sehr unterschiedlich waren. Dies Novellen können für die Mietzinsbildung der Gegenwart von Bedeutung sein.
1949 (Gründungsjahr des Mieterschutzverbandes!) Preisregelungsgesetz
Da sich die Zinsbestimmungen des Mietengesetzes im wesentlichen auf „Altbauten“ bezogen, waren Zinsschutzbestimmungen für Objekte notwendig, die nicht dem Mietengesetz unterlagen
1951 Novelle des Mietengesetzes
Durch die 1951 erfolgte Novelle des Mietengesetzes erfolgte eine allgemeine Anhebung der Mietzinse: Der Hauptmietzins konnte ab diesem Zeitpunkt für jede Krone des Jahresmietzinses für 1914 einen Schilling betragen. Gleichzeitig wurde das Recht der Mieter gestärkt, Reparaturmaßnahmen zu fordern. Gleichzeitig wurde das Recht des Vermieters eingeführt Zuschläge zum Hauptmietzins für Erhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen zu fordern.
1954 Zinsstoppgesetz
Das Gesetz regelte Bestimmungen über die Mietzinsbildung für nicht dem Mietengesetz unterliegende Räume. Es war ein als Provisorium gedachtes Preisregelungsgesetz, das aufgrund einer kurz zuvor ergangenen Entscheidung des VfGH notwendig wurde. Der VfGH hatte zuvor eine „Verordnung des Reichsstatthalters vom 9. März 1939“ aufgehoben, die Richtlinien für die Preisbildung festgesetzt hatte. Es hatte Bedeutung für Mietverhältnisse, die nicht dem Mietengesetz unterlagen, also in erster Linie für nach 1922 errichtete Bauten, also damalige Neubauten. Mit dem Zinsstoppgesetz wurden für diese Mietgegenstände, die am 1. Juni 1954 geltenden Mietzinse eingefroren. Dieses ursprünglich nur als Übergangsregelung gedachte Gesetz blieb nach diversen Adaptierungen bis 31.12.1981 in Kraft.
1955 Novelle des Mietengesetzes
Die Novelle legte Regeln für das außerstreitige Verfahren fest und glich die Kündigungstatbestände wieder dem Zustand vor dem „Anschluss“ an das deutsche Reich an. Zudem erfolgte eine Lockerung der Mietzinsobergrenzen für Neuvermietungen, dies allerdings mit erheblichen Einschränkungen für Wien.
1968 Inkrafttreten einer Novelle des Mietengesetzes (Mietrechtsänderungsgesetz 1967).
Hinsichtlich des Mietzinses erfolgte für Neuvermietungen eine weitgehende Deregulierung im Sinne einer Erweiterung der Möglichkeiten für freie Mietzinsvereinbarungen für Mietverträge, die ab 1968 geschlossen wurden. Dies stellte für Neuvermietungen die Defacto-Abschaffung des „Friedenszinses“ dar. Zudem wurde das Kündigungsrecht des Vermieters ausgeweitet.
1974 Novelle des Mietengesetzes
Wieder stärkere Regulierung der Mieten bei Substandardwohnungen im Sinne des Stadterneuerungsgesetzes (kein Wasser oder kein WC im Wohnungsverband)
1979 Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz 1979
Weitgehende rechtliche Angleichung des genossenschaftlichen Nutzungsvertrages an private Mietverträge unter Berücksichtigung des Kostendeckungsprinzips.
1979 Inkrafttreten des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG)
Paradoxerweise wurde die Bedeutung des Konsumentenschutzgesetzes erst 25 Jahre später mit den mietrechtlichen Klauselentscheidungen des OGH erkannt
1982 Einführung des Mietrechtsgesetzes (MRG)
Übernahme zahlreicher Kündigungsschutzbestimmungen des Mietengesetzes. Mietzinsobergrenzen anhand kategorisierter (A,B,C,D) Wohnungen, Einführung von Erhaltungsbeiträgen (für Wohnungen, für die noch die günstigen Friedenszinsbestimmungen des MG galten)
Einführung eines weitreichenden Ablöseverbots (§ 27 MRG)
1994 Novelle des MRG (3.WÄG)
Bei Neuvermietung anstatt des Kategoriemietzinssystems, ab nun das sogenannte Richtwertsystem
Literaturtipps:
Langer, Hans / Mietzinsregelungen 1917-1994
Verlag : Verlag Österreich. ISBN : 978-3-7046-0742-3.
„Arisierung“ und Rückstellung von Wohnungen in Wien
Georg Graf, Brigitte Bailer-Galanda, Eva Blimlinger, Susanne Kowarc (Beiträge)
2004. ISBN 978-3-486-56776-2
Michael Stampfer „ Die Anfänge des Mieterschutzes in Österreich“ Verlag : MANZ’sche Wien. ISBN : 978-3-214-13198-2
Wolfgang Blaas/Gerhard Rüsch/Brigitta Brezina/Claudia
Doubek, Mehr Markt oder mehr Staat im Wohnungswesen, Böhlau-Verlag,
Wien 1991 ISBN: 3-205-05385-0